Auszeichnung für die Seelenwärmer

Auszeichnung für die Seelenwärmer

Staßfurter Jugendblasorchester bekommt Kulturpreis des Salzlandkreises im Jahr 2021

In der Corona-Zeit hatte das Jugendblasorchester Staßfurt mit kleinen Konzerten vor Altersheimen viel Zuspruch bekommen. Dafür bekam es jetzt den Kulturpreis des Salzlandkreises.

Von Enrico Joo

Staßfurt ● Nach dem ersten Titel folgte Applaus. Diesem schloss sich aber nicht die Begrüßung durch die Moderatoren an, stattdessen ging das Licht aus. Die Musiker vom Jugendblasorchester standen und saßen beim Frühlingskonzert am Sonnabend im Staßfurter Salzlandtheater auf der Bühne im Dunkeln und wunderten sich. Gab es einen Stromausfall? Mitnichten. Der Zwischenfall war geplant.

Die Auflösung folgte kurz darauf. Der Leiter des Salzlandtheaters, Stephan Czuratis, erklärte, dass es für das Jugendblasorchester (JBO) eine Überraschung gibt. Eine Überraschung, die eine Ehre und Auszeichnung zugleich ist. Der Verein bekommt den Kulturpreis des Salzlandkreises im Jahr 2021 im Bereich der Musik und Nachwuchsförderung.

Die kulturverantwortliche Stabstellenleiterin beim Salzlandkreis – Petra Czuratis – hielt eine Laudatio für das Jugendblasorchester, auch Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU), der gleichzeitig dem Kreisentwicklungsausschuss vorsteht, lobte in einer Videobotschaft das Engagement. „Das Jugendblasorchester Staßfurt bereichert die Stadt und den Salzlandkreis mit seinen Auftritten und seinem Engagement“, begründet Landrat Markus Bauer (SPD) in einer Mitteilung des Salzlandkreises die Entscheidung. „Die vergangenen zwei Jahre haben erneut gezeigt, wie enorm wichtig uns Menschen sind, die nie die Motivation und Eigeninitiative verlieren. Und solch herausragendes Engagement im Bereich Kultur und Heimatpflege will der Salzlandkreis mit seinem Kulturpreis ehren.“

Über 30 Konzerte vor Pflegeheimen im Salzland

Im Jahr 2021 hatte der Förderverein des Salzlandtheaters den Kulturpreis bekommen. Nun geht er also das zweite Mal in Folge nach Staßfurt. Schon seit 2013 werden jedes Jahr Künstler und Kulturschaffende für ihr Engagement ausgezeichnet. 

Eindruck hatte in diesem Jahr dabei vor allem gemacht, wie das Jugendblasorchester in der Corona-Zeit die Menschen erreicht hat. Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 waren es zwei Musiker vom Verein, die nicht untätig herumsitzen wollten. Dirigent und musikalischer Leiter Peter Roskoden und Tuba-Spieler Philipp Uta hatten an die gedacht, die die Pandemie besonders getroffen hatte: Ältere Menschen in Pflegeheimen, die nun völlig ohne Kontakt zur Außenwelt zurechtkommen mussten. „Gerade die älteren Menschen brauchen Hilfe und Aufmerksamkeit“, sagt Peter Roskoden. Also fing das Duo an, vor Altersheimen in Staßfurt zu spielen, kostenlos und auf eigene Anreisekosten. Es folgten Konzerte in Hecklingen und Neundorf, später kamen auch Anfragen aus Aschersleben, Schönebeck und Bernburg. Überall war das Interesse an den Klängen der beiden Musiker groß. „Am Ende waren es über 30 Konzerte, manchmal vier an einem Tag“, so Roskoden. 

Die beiden haben das natürlich nicht für Ruhm und Ehre gemacht. Es sind die kleinen Geschichten, die ihnen zeigen, wie wertvoll es ist, was sie geleistet haben. Die zeigen, dass sie es schaffen, Herzen und Seelen zu wärmen und Menschen zu öffnen. „Die Resonanz war unglaublich toll. In einem Heim war eine Frau, die seit Wochen nicht mehr gesprochen hatte. Nach unserem Auftritt hat sie die Strophen von ‚Sah ein Knab ein Röslein stehen‘ gesungen“, erzählt Roskoden. „Wir wollten in der Pandemie den Menschen die Einsamkeit nehmen. Es ist Wahnsinn, was Musik mit den Menschen anstellt.“

Voller Terminkalender im Sommer 2022

Freilich ist die Freude über Auszeichnungen trotzdem groß. Schon im Jahr 2020 wurde das JBO vom Ostdeutschen Sparkassenverband als Verein des Jahres ausgezeichnet. Nun also der Preis vom Salzlandkreis. „Wir sind sehr glücklich und unglaublich stolz, dass es honoriert wird“, so Roskoden. So hatten nicht nur zwei Mitglieder vor Altersheimen gespielt. „Ein anderes Mitglied bereitete mit Trompetenklängen vom Kirchturm den Menschen seiner Heimatstadt Brumby eine Freude“, heißt es in der Mitteilung des Salzlandkreises. 

Am Wochenende hatte das Jugendblasorchester am Sonnabend und Sonntag gleich zwei Auftritte beim Frühlingskonzert in Staßfurt. Es war das erste Mal seit dem Weihnachtskonzert im Dezember 2021 (auch im Salzlandtheater), dass das Orchester in fast voller Besetzung auftrat. Einige Musiker fehlten allerdings. „Am Dienstag war ich kurz davor, die Konzerte abzusagen“, sagt Roskoden. Der langjährige Schlagzeuger war Corona positiv und in Quarantäne. 

Dazu fielen sechs weitere Musikerinnen und Musiker wegen Corona und Krankheit aus. Über Kontakte hatte Roskoden dann eine erfahrene Schlagzeugerin aus Berlin organisiert. Diese hatte am Sonnabend das erste Mal mit dem Orchester von fast 40 Musikern geprobt. „Alle waren sehr angespannt, auch ich. Bis auf ein paar Kleinigkeiten hat aber alles gut funktioniert. Alle haben es grandios gemeistert“, erzählt Roskoden. Statt fünf Querflötenspieler gab es zum Beispiel nur drei. „Das musste aufgeteilt werden. Zwei junge Spielerinnen sind da über sich hinausgewachsen“, lobt Peter Roskoden. 

Alles gut gegangen also. Und beim Blick nach vorn bekommt Roskoden richtig gute Laune. Nach den Corona-Jahren 2020 und 2021 mit fast gar keinen Auftritten ist der Terminkalender in diesem Jahr richtig voll. Am 1. Mai gibt es einen Auftritt beim Kirschblütenfest. „Im Juni und Juli sind wir gut ausgebucht, da sind wir fast jedes Wochenende unterwegs. Es ist schön, dass die alten Kontakte geblieben sind“, sagt Roskoden. 

Besondere Vorfreude gibt es auf den August. Da stehen mindestens zwei Konzerte in recht großer Besetzung am Meer an. Bei einer Ostsee-Tour spielt das JBO in Binz und Göhren auf Rügen. „Die Konzerte waren schon in 2020 geplant und dann auf 2021 geschoben. Jetzt wird es wohl klappen. Da freuen wir uns sehr“, sagt Peter Roskoden. Bescheiden wie immer.

Quelle: Salzland-Kurier vom 12.04.2022, S. 13.